Betriebsrätestärkungsgesetz: Mitbestimmung modern? - ein Kommentar von Gerhard Kronisch

Mit dem Betriebsrätestärkungsgesetz, das die Große Koalition kurz vor Weihnachten 2020 auf den Weg gebracht hat, soll unter anderem eine dauerhafte Möglichkeit für die Teilnahme an Betriebsrats- und Sprecherausschusssitzungen mittels Video- oder Telefonkonferenz geschaffen werden. Gerhard Kronisch, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, kommentiert diesen Vorstoß hier.

Die Corona-Pandemie hat all unsere Lebensbereiche auf den Kopf gestellt, unter anderem auch die Arbeitswelt. Beispiele sind die Metamorphose des Onlinemeetings vom notwendigen Übel interkontinentaler Arbeitsgruppen zum etablierten Format für den Austausch von Mitarbeitern, die sich – aus welchem Grund auch immer – nicht persönlich treffen können oder wollen. Aber auch die Ausbreitung und gleichzeitige Entzauberung des Homeoffice, das sich für viele Arbeitnehmer nicht als utopische Entfesselung von den Zwängen der Präsenzkultur, sondern als sehr realer Bestandteil einer nicht weniger fordernden Arbeitswirklichkeit entpuppt hat – mit handfesten Vor- und Nachteilen.

Die Große Koalition hat kurz vor Weihnachten den Gesetzgebungsprozess für einige rechtliche Veränderungen auf den Weg gebracht, die diesen und anderen Veränderungen der Arbeitswelt im Hinblick auf die betriebliche Mitbestimmung Rechnung tragen sollen. Mit dem Betriebsrätestärkungsgesetz soll unter anderem eine dauerhafte Möglichkeit für die Teilnahme an Betriebsrats- und Sprecherausschusssitzungen mittels Video- oder Telefonkonferenz geschaffen werden. Dies ist bisher nur durch eine bis zum 30. Juni 2021 befristete Corona-Sonderregelung zulässig.

Diese Entfristung ist aus Sicht von syntra und des politischen Dachverbandes ULA ein richtiger Schritt zur Modernisierung der betrieblichen Mitbestimmung. Sichergestellt werden muss dabei allerdings, dass die Möglichkeiten zum persönlichen Austausch der gewählten Arbeitnehmervertreter auch bei bestehenden digitalen Beratungs- und Beschlussfassungsmöglichkeiten nicht durch die Unternehmen behindert oder eingeschränkt werden – zum Beispiel, um Kosten zu sparen.

Ebenfalls Teil des Gesetzesvorhabens ist die Einführung eines neuen Mitbestimmungsrechts für Betriebsräte bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit. So sollen spezielle Betriebsvereinbarungen entstehen, die einen einheitlichen und verbindlichen Rahmen zum Schutz der Arbeitnehmer im Homeoffice gewährleisten. Diese Zielsetzung ist im Grundsatz richtig. Auch unser Partnerverband VAA fordert in seiner Position zum mobilen Arbeiten, dass der Schutz der Arbeitnehmer vor Überlastung und gesundheitlichen Beeinträchtigungen unabhängig vom Arbeitsort gewährleistet sein muss. Allerdings darf die Regulierung durch die Betriebsparteien hier auch nicht über das Ziel hinausschießen. Denn mobile Arbeit kann nur mit einer funktionieren Vertrauenskultur erfolgreich sein. Dafür bedarf es zwar klarer Regeln hinsichtlich der Frage, wer wann und wo mobil arbeitet. Aber am Ende des Tages geht es nicht ohne gegenseitiges Vertrauen. Viele Führungskräfte, für die diese Form der Arbeit auch vor Corona schon alltäglich war, wissen das aus langjähriger Erfahrung.

Hier lesen Sie mehr zur Stellungnahme unseres Dachverbands ULA zum Referentenentwurf für ein Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und zur Stärkung der Betriebsräte.