BAG: Pflicht zur Kenntnisnahme von Weisungen in der Freizeit

Existiert eine arbeitsvertragliche Pflicht zur Kenntnisnahme von Weisungen in der Freizeit, gibt es für Arbeitnehmer kein absolutes Recht auf Unerreichbarkeit nach Feierabend. Bildquelle: Ali-Akber Plabon / pixabay.com

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden: Existiert eine arbeitsvertragliche Pflicht zur Kenntnisnahme von Weisungen in der Freizeit, gibt es für Arbeitnehmer kein absolutes Recht auf Unerreichbarkeit nach Feierabend. 

„Eine absolut richtige Entscheidung, die sich aber nicht verallgemeinern lässt: Im Regelfall gibt es durchaus ein Recht auf Unerreichbarkeit in der Freizeit. Ausnahmen gibt es jedoch immer“, bewertet Gerhard Kronisch, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, die Entscheidung. Im konkreten Fall ging es um einen als Rettungssanitäter beschäftigten Arbeitnehmer, der im Schichtmodell tätig war. Unter anderem sah die Verpflichtung vor, kurzfristige Konkretisierungen hinsichtlich Einsatzort und Uhrzeit zu befolgen. Da der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer an einem Tag telefonisch nicht erreichen konnte, um ihm die Schichteinteilung für den kommenden Tag mitzuteilen, sandte er ihm eine SMS innerhalb der betrieblich geregelten Frist. Arbeitsbeginn wäre am kommenden Tag um 06.00 Uhr gewesen, der Arbeitnehmer zeigte seine Arbeitsbereitschaft aber erst um 07.30 Uhr telefonisch an. Der Arbeitgeber setzte für den Tag einen anderen Mitarbeiter ein, erteilte dem fehlenden Arbeitnehmer eine Abmahnung, bewertete den Tag als unentschuldigtes Fehlen und zog elf Stunden vom Arbeitszeitkonto ab.

Einige Monate später trat der Arbeitnehmer seinen Dienst rund zwei Stunden später an als am Vortag per SMS und E-Mail zugewiesen. Die Stunden wurden erneut vom Arbeitszeitkonto abgezogen, der Arbeitgeber sprach eine Abmahnung wegen unentschuldigten Fehlens aus. Der Arbeitnehmer klagte dagegen vor dem Arbeitsgericht. Begründung: Es bestehe keine Pflicht, sich während der Freizeit über die Dienstzuteilung zu informieren. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, das Landesarbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer jedoch Recht.

Das Bundesarbeitsgericht entschied nun im Sinne des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer müsse seiner Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis, die Zuteilung des Dienstes zur Kenntnis zu nehmen, auch außerhalb seiner eigentlichen Dienstzeit nachkommen. Grundlage hierfür sei § 241 Absatz 2 BGB, wonach jede Partei des Arbeitsvertrages zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet ist. Dafür habe der Arbeitnehmer – anders als von ihm behauptet – nicht ununterbrochen für den Arbeitgeber erreichbar sein müssen. Es sei ihm überlassen gewesen, wann und wo er Kenntnis von der SMS nehmen wollte, mit der ihn der Arbeitgeber über die Konkretisierung seines Springerdienstes informiert hat. Die Zeit der Kenntnisnahme sei auf wenige Sekunden beschränkt. Dadurch könne nicht von einer erheblichen Beeinträchtigung der Nutzung der freien Zeit ausgegangen werden. Folglich sei der Arbeitnehmer verpflichtet gewesen, die geschuldete Arbeitsleistung entsprechend der vom Arbeitgeber hinsichtlich Zeit und Ort erfolgten Konkretisierung anzubieten.

Den ursprünglichen Artikel finden Sie in der Januar-Ausgabe des VAA-Newsletters.