Sie müssen den Rucksack ablegen, bevor Sie mit einem neuen Job anfangen - ein Gastkommentar von Johannes Czwalina

Johannes Czwalina ist Berater, Coach und Mediator für das Top-Management sowie für Führungskräfte in Politik und Wirtschaft. In unserem Gastbeitrag erklärt er, warum ein Jobwechsel bewusst und radikal vollzogen werden muss.

Was ist Erfolg?

Erfolg ist Wohlbefinden und Stimmigkeit mit sich selbst. Erfolg ohne Wohlbefinden ist Misserfolg.

Ich kenne eine Reihe von Menschen, die sich auf das Schema beschränken, dass mehr Einfluss und mehr Einkommen mehr Glück bedeuten. Und es sind ziemlich viele dabei, die kein Wohlbefinden ausstrahlen. Ich beneide diese Personen nicht. Andererseits kenne ich nicht wenige, die die Karriereleiter nicht erklimmen konnten, aber fröhlich sind. Für mich sind das erfolgreiche Menschen.

Die zentralen Werte für ein erfülltes Leben bleiben stets dieselben. Sie müssen lediglich in den Wandlungen unseres beruflichen Lebens immer wieder neu definiert und entdeckt werden. Innovationen sind immer nur ein Transportmittel, nicht mehr. Was sie transportieren, sind unsere Einstellungen, Gesinnungen und Werte. Und weil die Transportmittel immer schneller werden, ist die Frage von großer Bedeutung, welche Werte sie transportieren.

Viele leben nach dem Motto: Ich weiß zwar nicht, wohin ich fahre, aber dafür bin ich umso schneller dort. Sie funktionieren – und verdrängen die Frage nach dem Warum und Wofür. Diese Fragen drängen sich aber genau dann auf, wenn es um nicht alltägliche Situationen wie die einer beruflichen Trennung geht und lassen sich in diesen Zeiten schwerer als sonst verdrängen.

Gerade bei Trennungssituationen kann uns die Erkenntnis sehr schmerzlich bewusst werden, dass wir uns nur um unser karrieremäßiges Wohlbefinden gekümmert haben, aber uns nicht die Zeit nahmen, nach unserem ganzheitlichen Wohlbefinden zu schauen.

Wie können wir aber eine echte Zuversicht in Trennungssituationen erreichen?

Indem wir verstehen, dass ein gut verhandeltes Abfindungspaket für eine zukunftsorientierte Zuversicht nicht ausreicht. Indem wir den Mut haben, uns Themen zu stellen, die wir in uns tragen, die beantwortet werden wollen, über die aber bisher sicher niemand mit uns gesprochen hat.

Der Bonner Wirtschaftswissenschaftler und Autor des Buches „Small is beautiful“ E. F. Schumacher erzählt von einem Erlebnis, dass er während eines Besuchs in Leningrad zur Zeit der Sowjetunion vor einer großen Kathedrale hatte. Auf seine Frage, wo er diese Kathedrale in dem Stadtplan finden könne, bekam er von der kommunistischen Stadtführerin die Antwort, dass Kirchen und Kathedralen in den hiesigen Stadtführern nicht eingezeichnet seien. Er vergleicht das Erlebnis mit der Tatsache, dass wir ständig Karten vom Leben vorgesetzt bekommen, auf denen nicht im Geringsten das eingezeichnet ist, was uns von größter Bedeutung ist.

Tatsächlich bin ich in meiner Beratungspraxis sehr häufig mit Themen konfrontiert, die in keinem Management-by Ratgeber zu finden sind, obwohl sie zentraler Teil unserer täglichen Berufsrealität sind. Um den Rucksack abzulegen, bevor Sie mit einem neuen Job anfangen, sind aber gerade diese Themen von großer Bedeutung.

Fast jeder, der eine Trennungsbegleitung in Anspruch nimmt, trägt in irgendeiner Form Anteile von Groll, Wut und dem Unvermögen, erlittene Ungerechtigkeit zu vergeben, mit sich. Ich kenne Führungskräfte, die vermeintlich erlittenes Unrecht bis zu ihrem Lebensende nicht vergessen oder vergeben wollten. Die Folge? Sie haben sich ihre Zeit als Rentner unnötig beschwert.

Darf ich noch ein anderes Beispiel anführen, welches ständig existent ist, aber von niemandem proaktiv angesprochen wird?

Die Angst vor dem eigenen Verfallsdatum.

Als ein Manager mir offenbarte, dass er jede Woche mehrmals über sein Älterwerden, seine immer kürzer werdende beruflich aktive Zeit, nachdenke und die Zeit seines Karriereendes systematisch verdränge, fragte ich auch andere Klienten dazu und war erstaunt, dass es den meisten genauso ergeht. Könnte man daraus ableiten, dass wir nicht vom Heute aus denken sollten (immer höher, weiter und größer), sondern vom Ende unserer Laufbahn her?

Veränderungen und Trennungsprozesse gehören zu unserem normalen beruflichen Alltag. Für einen fröhlichen Neuanfang außerhalb des Unternehmens, müssen wir unsere Rucksäcke erkennen, benennen und ablegen können.

Der Durchbruch zu einer echten Zuversicht für unsere berufliche Zukunft geschieht durch bewusste, mutige und nachhaltige Entscheidungen. Dazu gehört ein ganzes JA für einen neuen Weg. Aber auch ein mutiges Entscheiden zum Loslassen und zum finalen Abschied. Das ist aber leichter gesagt als getan.

Viele unserer Kunden arbeiteten zwanzig Jahre und länger im Telekom Konzern. Dass sich hierbei ein Heimatgefühl entwickelt, ist ganz natürlich. Man gewöhnt sich unbewusst an alle Gesetzmäßigkeiten eines Konzerns, positive wie negative. Die tägliche Fahrt zum Arbeitsplatz, die Einfahrt in die Tiefgarage, die Benutzung des Liftes, die Gerüche auf den Gängen, die Gesichter derer, die man täglich an ihren Schreibtischen sitzen sieht.

Trennung vom Unternehmen bedeutet deshalb auch Heimatverlust. Das schmerzt. Der Abschied muss bewusst und radikal vollzogen werden. Negative vergangene Erfahrungen müssen aufgearbeitet werden. Sie dürfen nicht unter den Teppich gekehrt werden. Leider bleiben viele auf halbem Weg stehen, weil sie noch am Alten hängen, weil sie ihr neues Umfeld mit dem alten vergleichen, weil sie vermeintlich erlittenes Unrecht nicht vergeben können. Aber nur diejenigen, die echt Abschied nehmen können, die das vorherige losgelassen haben, können auch erfolgreich neu anfangen.

Wir rasen durch die Zeit. Vergessen wir nicht, dass die Seele zu Fuß unterwegs ist.

Johannes Czwalina